Seit November 2011
gab es bezüglich dieser Konferenz eine intensive Auseinandersetzung vor allem
auf der Learning-Unlimited-Liste (eine europäische Home-Education-Mailingliste)
und zwischen einigen Freilernern in Deutschland, in der die unterschiedlichen
und meiner Meinung nach auch unvereinbaren Positionen der verschiedenen
Befürworter von Bildung zu Hause deutlich wurden. Es war recht schnell klar,
dass wir eben nicht – wie Dagmar Neubronner meint und nicht müde wird zu
wiederholen – alle das gleiche Ziel verfolgen.
Ich
bin nicht grundsätzlich gegen eine globale Konferenz eingestellt und auch nicht
gegen eine Konferenz in Berlin, sei diese nun global oder europäisch
orientiert. Meine Entscheidung, nicht an der geplanten Konferenz teilzunehmen,
und meine Einschätzung der Konferenz als kontraproduktiv für die Situation in
Deutschland haben mehrere Gründe.
Ich
sage ganz offen, dass ich gegenüber der „Home School Legal Defense Association“
HSLDA als Organisation sehr skeptisch eingestellt bin. Dennoch würde ich mich
nicht grundsätzlich weigern, an einer Konferenz teilzunehmen, an der auch
Vertreter von HSLDA teilnehmen. Die GHEC 2012 wird in meinen Augen allerdings
zu stark von HSLDA und HSLDA-verwandten Organisationen bestimmt. Die
Entscheidung, die GHEC 2012 zu veranstalten, wurde 2010 auf einer
HSLDA-Konferenz in den USA getroffen. Vermutlich wurde auch dort der Kern des
Organisationskomitees gebildet und dementsprechend besteht das Komitee
mehrheitlich aus Mitgliedern von HSLDA oder mit HSLDA verbundenen oder HSLDA
nahestehenden Organisationen.
Die
bekannten europäischen Organisationen wie Education Otherwise (Großbritannien),
LED’A (Frankreich), ALE (Spanien) und viele andere und auch die deutschen
Organisationen wie Netzwerk Bildungsfreiheit und BVNL wurden zwar gebeten, sich
in diese Konferenz mit Workshops einzubringen, aber in die Planung und
Organisation wurden aus Europa nur Dagmar Neubronner und Jonas Himmelstrand von
der schwedischen Organisation ROHUS einbezogen. Diese Einseitigkeit und
hierarchische Organisationsweise ist in meinen Augen auch beim Programm der
GHEC 2012 zu spüren. Ich würde persönlich eine Organisation wie bei der
„European Democratic Education Conference“ EUDEC oder der „International
Democratic Education Conference“ IDEC vorziehen.
HSLDA
als Organisation vertritt klare Ziele nicht nur in Bezug auf die Bildung. Sie
sprechen sich auf ihrer Webseite gegen die Rechte vieler gesellschaftlicher
Gruppierungen aus, die sich diese Rechte in den letzten hundert Jahren schwer
erkämpft haben. HSLDA als Organisation ist aus einer politischen Motivation von
der politischen Vereinigung New Christian Right gegründet worden, die es sich
zur Aufgabe gemacht hat, den in ihren Augen gefährlichen Liberalismus politisch
zu bekämpfen und einen separaten Raum für das christliche Amerika zu schaffen,
in dem Familien ihre christlichen Werte ungestört von gesellschaftlich
negativen Einflüssen leben können. Nachzulesen ist dies in vielen
Zeitungsartikeln wie „Battling for the heart and soul of home-schoolers“ von
Helen Cordes und auch in dem Buch „The Fracture of Good Order“ von Jason C.
Bivins. Wenn wir in Deutschland mit der Forderung nach Bildungsfreiheit in
Politik und Gesellschaft Verständnis finden wollen, dann sehe ich es als
schwierig an, mit einer Organisation so eng zusammenzuarbeiten, die dem immer
wiederkehrenden Argument der Bildung von Parallelgesellschaften durch ihre
Forderungen Vorschub leistet.
Ein
weiterer Grund für meine Nicht-Teilnahme und Ablehnung dieser geplanten
Konferenz ist die Art und Weise, wie das Organisationskomitee mit den Menschen
umgegangen ist, die unbequeme Fragen und Forderungen gestellt haben. Bedenken
und Ängste sollten meiner Meinung nach nicht einfach beiseite gewischt werden,
sondern es sollte offen gemeinsam darüber diskutiert werden.
Und
der für mich wichtigste Punkt von allen ist das Ziel der Konferenz. Für mich
stehen die Würde der jungen Menschen und ihr sich daraus ergebendes Recht auf
(selbstbestimmte) Bildung im Mittelpunkt. Doch meiner Ansicht nach wird nur der Ansatz, die
Achtung der Würde und des Rechts junger Menschen auf ihre selbstbestimmte
Bildung ins Zentrum der Bemühungen zu stellen, einen grundlegenden
Paradigmenwechsel im Bereich der Bildung einleiten. Das einseitige Ziel der GHEC, die Elternrechte zu stärken,
stehen aber im Widerspruch zu dem, was ich verwirklicht sehen will.
Es
gibt für mich nicht nur einen Grund diese Konferenz in ihrer geplanten Form
abzulehnen, es ist die Kombination der oben aufgeführten Gründe, die mich zu
der Entscheidung geführt hat, mich nicht an der Konferenz zu beteiligen und nicht
daran teilzunehmen.
Zum
besseren Verständnis habe ich noch eine kurze Chronologie der Ereignisse im
Vorfeld der Konferenz zusammengestellt.
Karen
Kern, 16. Oktober 2012
Chronologie
- Im Mai 2011 wurde ein Schreiben, in dem Mike Donnelly/HSLDA einen „Global Homeschooling Congress“ ankündigt, auf der englischsprachigen Mailingliste „Learning Unlimited“ („LU-Liste“) veröffentlicht. In dem Schreiben wird auch auf eine Umfrage zu dieser Konferenz hingewiesen, die auf der HSLDA-Webseite platziert ist.- Im Mai 2011 erreichte mich über die LU-Liste ein Brief von Mike Donnelly/HSLDA, dass bei einer HSLDA-Konferenz im Jahr 2010 beschlossen wurde, einen „Global Homeschooling Congress“ zu organisieren. Jonas Himmelstrand, Vorsitzender des schwedischen Home Education Vereins ROHUS, erklärte sich bereit, den Vorsitz des Organisationskomitees zu übernehmen. Es wurde darum gebeten, diese Information weiter zu geben. Im Rundbrief der Initiative für selbstbestimmtes Lernen wurde dann auch eine Übersetzung dieses Briefes veröffentlicht.- Im Sommer 2011 erfuhr ich, Karen Kern, dass Mike Donnelly bei einem Besuch in Deutschland anderen Familien mitgeteilt hat, diese Konferenz sei in Berlin geplant – also lange bevor dieser Ort offiziell vom Organisationskomitee bekannt gegeben wurde.- Obwohl Jonas Himmelstrand Vorsitzender des Organisationskomitees des für 2012 geplanten „Global Homeschooling Congress“ ist, hielt er es trotz Anwesenheit nicht für nötig, dieses Thema bei dem europäischen Vernetzungstreffen in Gandia/Spanien im September 2011 offiziell einzubringen. Er erwähnte diese geplante Konferenz nur am Rande. Der Großteil der europäischen Teilnehmer bekam von dieser Ankündigung nichts mit.- Im November 2011 wurde über die LU-Liste und andere Quellen eine Liste der Mitglieder des Organisationskomitees bekannt. Dabei erfuhren wir, dass Dagmar Neubronner zur stellvertretenden Leiterin des Organisationskomitees ernannt wurde. Im November 2011 ging ein offizielles Schreiben vom Organisationskomitee der GHEC an verschiedene Organisationen heraus, in dem um finanzielle Unterstützung gebeten wurde. Dieses Schreiben war wieder von Mike Donnelly geschrieben, im Namen des Komitees und von HSLDA.- Beim deutschen Home-Education-Vernetzungstreffen im November 2011, bei dem Vertreter von Netzwerk Bildungsfreiheit, BVNL, Clonlara Schule und weitere Home Education Aktivisten in Wimmental zusammenkamen, erfuhren einige von uns das erste Mal von diesen konkreten Plänen und dem Gerücht, dass die Konferenz in Berlin stattfinden soll. Dagmar Neubronner war zu diesem Treffen eingeladen worden. Sie war durch einen anderen Termin verhindert, hat aber auch nicht auf andere Weise über die Pläne einer Globalen Konferenz informiert.- Anschließende Briefe sowohl von Teilnehmern des Vernetzungstreffens als auch von Mitgliedern der LU-Liste an Dagmar Neubronner und Jonas Himmelstrand wurden gar nicht oder sehr ausweichend beantwortet. Der Ort der Konferenz stünde noch nicht fest. Für detailliertere Informationen wurde auf die Homepage verwiesen, die zu dem Zeitpunkt noch nicht online war und auch erst im März freigeschaltet wurde.- Auf dem europäischen Vernetzungstreffen für Home Education in Hagen im Januar 2012 waren Jonas Himmelstrand und Dagmar Neubronner anwesend und berichteten über die geplante Konferenz. Die Auskünfte waren weiterhin relativ vage und vor allem mit der Hoffnung verbunden, dass eine solch große Konferenz die Situation für die Home-Education-Bewegung in Deutschland und Schweden verbessern würde. Den von den anderen Anwesenden eingebrachten Bedenken, zum einen gegen die Art der Vorbereitung (immerhin hat die Konferenz den Anspruch Global Home Education zu vertreten) und auch wegen der starken Dominanz von HSLDA und HSLDA nahestehenden Organisationen und deren doch zu uns Freilernern sehr gegensätzlichen politischen und pädagogischen Zielen, wurde vor allem mit dem Argument begegnet, dass das ja niemand zu merken bräuchte, wenn nur genug von uns Freilernern sich aktiv mit Workshops in die Konferenz einbringen und auch die anderen Facetten von Bildung ohne Schule darstellen würden.- Seither gibt es umfangreiche Diskussionen auf den verschiedensten Listen mit und ohne Dagmar Neubronner. Viele europäische Home-Education-Organisationen wollen sich unter den gegebenen Umständen nicht an der Konferenz beteiligen und halten sie darüber hinaus auf verschiedenen Ebenen für unsere Situation als Freilerner in Deutschland für gefährlich.- Als Vorschlag kam der Anstoß, die Konferenz auf nächstes Jahr zu verlegen und von vornherein mit gleichberechtigter Beteiligung der deutschen und europäischen Organisationen neu zu planen. Dies wurde jedoch zurückgewiesen. Auch die Bitten, diese Konferenz wenigstens in einem anderen Land (natürlich in Absprache mit den dort Betroffenen) zu veranstalten, das nicht ganz so sensibel auf christliche Fundamentalisten reagiert, wie das hier in Deutschland der Fall ist, und möglichst einen Ort zu wählen, der symbolisch ein nicht so großes Gewicht hat, wie ausgerechnet Berlin, wurden abgelehnt.- Seit März 2012 ist Berlin nun offiziell Tagungsort, das Programm steht fest, die Hauptredner sind eingeladen und die Internetseite ist im Netz. Manche von uns wurden erneut und mehrfach eingeladen, uns doch an der Konferenz zu beteiligen und einen Workshop zu leiten, damit die Breite der Home-Education-Bewegung sichtbar wird und wir als Freilerner dafür sorgen können, dass Home Education nicht in ein falsches Licht gerät.- Nachdem die grundlegende Planung schon lange feststand und die wesentlichen Entscheidungen für die Konferenz getroffen waren, wurden einige von uns doch noch in das Organisationskomitee eingeladen.
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